Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, hat auf seinem privaten Blog (www.tirsales.de) einen lesenswerten und nachdenklich machenden Beitrag veröffentlicht: “Von der Staatskrise – Rücktritt oder kein Rücktritt, das ist nicht die Frage” vom 30.11.2011), in dem er sich mit den Rücktrittsforderungen gegenüber Bundespräsident Christian Wulff beschäftigt und eine Staatskrise neuer Art ausmacht. Auszüge:
“(…) Warum steht Wulff denn in der Kritik? Seine Urlaube auf Kosten von Unternehmern waren ja bekannt, genauso seine Flugupgrades oder ähnliche Boni. Der Kredit von einem befreundeten Unternehmer? Kaum mehr als ein weiterer Tropfen ins Fass. Da mag Wulff sich noch so häufig hinstellen und beteuern, dass es keinerlei Vorteile gegeben hat … es kann einem Unternehmer niemals schaden, wenn die Entscheidungsträger positiv gestimmt sind. Wer weiß, welche Probleme übersehen werden. Jeder von uns kennt das von sich selbst. Bei Fremden ist man kritischer, unachtsame Fehler und Fehlverhalten werden bei Freunden und Bekannten eher mal akzeptiert. Und wenn man zwei Meinungen hört – wem glaubt man eher? Dem guten Freund, der einem in der finanziellen Notlage geholfen hat oder dem Unbekannten, mit dem man kaum zwei Worte wechselte?
Das ist wenig mehr als menschlich. Falsch ist es dennoch. Und neu ist an dieser Verquickung von Wirtschaft und Politik nichts. Insofern kann es auch kaum überraschen, dass die sonst so kritischen Vertreter anderer Parteien dieses Mal so überraschend ruhig sind. Es geht hier ja nicht um Korruption im Sinne des laschen §108e StGB, sondern nur um eine verschwiegene Freundschaft. Eben um einen Hannover-Klüngel, also um den deutschen Politikalltag.
Was ist dann so schlimm daran? Ganz genau das. Es ist noch nicht allzu lange her, da haftete einer solchen Verquickung von Wirtschaft und Politik mehr als nur ein Geschmäckle an. Da war Klüngeln zwar vielleicht normal, aber es wussten wenigstens noch alle Beteiligten, dass sie etwas eigentlich unanständiges taten. Und da gab es im Hinterkopf vielleicht noch das sanfte Zirpen des Gewissens. Und das ist hier weggefallen. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige. Wulff zeigt sich geständig – bei den Dingen, die wir eh schon wissen. Er entschuldigt sich für den falschen Eindruck. Aber etwas vorzuwerfen hat er sich natürlich nicht. Und DAS ist neu. (…)
Und genau deshalb haben wir bereits eine Staatskrise. Ein Rücktritt eines schwachen Bundespräsidenten wäre hier kein Verlust – und leider auch kein Gewinn. Wulff kann kein starker Präsident mehr werden. Er kann auch kein Vorbild werden. Er kann nicht einmal die Stimme des Gewissens übernehmen – und damit verfehlt er seinen eigentlichen Zweck völlig.(…)”
(Der komplette Artikel findet sich hier: http://www.tirsales.de/blog/tirsales/2011/12/30/von-der-staatskrise-ruecktritt-oder-kein-ruecktritt-das-ist-nicht-die-frage)
TG
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