“Ich mach da einfach nicht mehr mit”

"Kulturpirat" Johannes Thon: Gegen eine "Spirale von immer rasenderen Kommunikationsfetzen"

Ein sehr persönliches Plädoyer aus erster Hand für mehr Vernunft in der digitalen Kommunikation (aber nicht nur dort)

Von “Kulturpirat” Johannes THON

Der Autor ist Mitglied der Piratenpartei; er twittert unter @Duesenberg_ . Der folgende Beitrag ist am 12. September 2012 zuerst auf seinem Blog erschienen (www.duesenberg.interblog.de)

Ich mach da einfach nicht mehr mit!

Ich werde einfach nicht mehr ‘flauschen’, nicht mehr ‘shitstormen’, keine ‘Gates’ mehr ‘retweeten’, mich nicht mehr künstlich empören, sondern schlicht und einfach da weitermachen, wo ich gerade thematisch dran bin. Punkt/Ende.

Wir unterwerfen uns gerade einer Sozialisation von Shitstorm und Flausch in einer sich immer schnelleren, immer rasenderen Spirale von Kommunikationsfetzen; wo ist der Unterschied noch zwischen Flausch und Shitstorm?
Vielen ist die Art der Aufmerksamkeit geradezu egal geworden;
Hauptsache Aufmerksamkeit…
Hey, ich hab 356 Follower mehr als DU!
76 Favs in einer Stunde und 91 Retweets!

ICH BIN WICHTIG!
ICH BIN WICHTIGER!
ICH BIN AM WICHTIGSTEN!

Follower, Retweets und Favs als zwischenmenschliche Währung in der eigenen Wahrnehmung. Jeder, der sich daran beteiligt, wird ein Teil dieser Industrie, welche nur Seifenblasen ausspuckt, schön anzusehen und nicht haltbar, nicht mal abwaschbar, nur in diesem Moment verführerisch schön, glitzernd und niemals wiederholbar.
Ich liebe Seifenblasen als Teil meiner kindlichen Freude an etwas eher doch Überflüssigem. Das ist der ganze Zauber: einfach eine wunderschöne Seifenblase, wunderschön in ihrem kurzen Moment, glitzernd im Sonnenlicht. Und weil Seifenblasen nunmal nicht lange halten, werden beständig immer neue, immer mehr Seifenblasen produziert, bemüht um den nächsten Kick retweetet, gefaved, geflauscht oder geshitstormed zu werden.
Immer wenn dann ein Sturm von Seifenblasen, stellvertretend für Shitstorm und Flausch, denn wo ist der Unterschied (?) vorüberzog, schrieb ich:
„Ok, Kinners ,das war’s jetzt aber, weiter jetzt und toll Politik gemacht“
Das hält dann genau 0.3 Cypersekunden bis zum nächsten Bubbleflash und ich mittendrin. Also fange ich einfach jetzt mal an und mach da einfach nicht mehr mit, weil jeder Retweet, jedes Stürmen und Flauschen einfach nur den Effekt verstärkt und die Wahrnehmung des Wesentlichen nahezu unmöglich macht in diesem diffusen Informationsnebel. Klar, werde ich weiter loben und auch kritisieren, aber nur noch individuell und nicht mehr einfach mal Seifenblasen pusten.
Wir haben vielen Menschen in Deutschland politische Hoffnungen gemacht, Hoffnung auf ganz viele tolle Sachen, die in einer Demokratie möglich sind:

  • Transparenz
  • Mitwirkung
  • Wahrnehmung
  • Sicherheit
  • Stabilität

und Vertrauen in Menschen, welche dafür einstehen und sich stark machen.
Das ist unsere, also die Verantwortung der Piratenpartei, diesen Menschen gegenüber und nicht das beständige Produzieren von Nebel, der letztlich nur den Blick auf unsere wahren Stärken verstellt.
Daher ist es für mich auch wichtig geworden, wer was wann wo sagt und ob ich ihm in diesem Thema vertrauen kann.
Nachdem mir klar geworden ist, wo genau meine Stärken und Kompetenzen liegen und welches Thema mir wirklich am Herzen liegt wurde mir schlagartig bewusst, welch herrliches Instrument die Piraten sein können, um Themen in der politischen Landschaft zu etablieren. Und dabei habe ich viele wirklich tolle Piraten gefunden, die die handvoll Schreihälse, Wichtigtuer und Empörer aus Leidenschaft mehr als wett machen. Die sind mir wichtig, alles andere sind nicht mal Seifenblasen.

1 Kommentar

  1. Schön gesagt (geschrieben). Und schön, dass du dich auch selber an der Nase packst. Vielen würde es helfen, ab und zu vor einer Reaktion nachzudenken “Bringt das mich oder die Sache weiter?”
    Bei “Nein” Aktion einstellen und zurück zum wesentlichen.

    Auf gutes gemeinsames Arbeiten!

    Para

Kommentar hinterlassen