“Fehler zu machen gehört zur Entwicklung des Menschen. Ein Baby, das laufen lernt, plumpst Hunderte Male zu Boden, ohne sofort in Selbstzweifel und Versagensängste zu verfallen. Wer Fehler macht, probiert etwas Neues, entwickelt sich weiter. Es ist wahr: Aus Fehlern lernt man.
Das Problem entsteht erst dann, wenn Fehlermachen mit Versagen gleichgesetzt wird. Und dieses Problem sei hausgemacht, behauptet Professor Heiner Keupp.
Der Sozialpsychologe glaubt, dass die Idee des Scheiterns nicht mit einem angeborenen Siegeswillen des Menschen zu tun hat, sondern ein Produkt der Erfolgsgesellschaft sei. Ursprünglich sicherten Menschen ihr Überleben durch gemeinschaftliches Handeln in Gruppen. Das änderte sich erst, als Wettbewerb und Konkurrenz in den Mittelpunkt rückten. ‘Dem Siegeszug des Kapitalismus haben wir die Gewinner- und Verlierermentalität zu verdanken’, sagt Keupp.
Selbstdressur – alles für den Erfolg
Damit einher geht ein neoliberales Menschenbild, Keupp nennt es das ‘unternehmerische Selbst’: ein Wesen, das sich ständig selbst optimiert, sich überall und immer auf jede Marktveränderung einstellt, sein Leben inklusive seiner ‘psychischen Innenausstattung’ vollkommen den Erfordernissen des Marktes ausliefert. Der perfekte Mitarbeiter stellt in seiner Freizeit freiwillig seine körperliche und mentale Gesundheit wieder her. Er verbietet sich, über andere Werte jenseits der Fit-für-den-Wettbewerb-Ideologie nachzudenken. Und hält diese Selbstdressur auch noch für Selbstbestimmung.”
Michaela Schießl (“Scheitern im Job: Verzeih dir selbst” – SPIEGEL online vom 02.09.2013)
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