Die Spur des Kapitals

Wie Tauben Werbung machen können

1960 benutzten findige Werbemanager Taubenfutter auf dem weltberühmten Markus-Platz in Venedig, um Reklame für ihre ebenfalls berühmte Erfrischungsbrause zu produzieren. (Symbolfoto: Wikimedia)

„In Venedig wird eine kolorierte Ansichtspostkarte feilgeboten, die zugleich für diese
Stadt und einen amerikanischen Konzern wirbt.
Sie zeigt den Markusplatz, menschen-
leer, mit dem notorischen Heer von Tauben. Die Tauben stellen sich dar in organisierter Form: in riesigen Charakteren bilden sie den Namen Coca-Cola. Die Charaktere
sind die des „gesetzlich geschützten“ Markendesigns. Die Vorlage für das Werbefoto
wurde (im Jahr 1960, Red.) dadurch hergestellt, daß die Werbemanager das Markenzeichen mit Taubenfutter durch angeheuerte Gelegenheitsarbeiter auf den Platz streuen ließen. Die Tauben flogen nicht herbei, um das Markenzeichen zu bilden, sondern um ihren Hunger
zu stillen. Das Futter wurde nicht gestreut, um die Tauben zu füttern, sondern um sie
auf seiner Spur als Statisten arbeiten zu lassen. Das Arrangement ist den Tauben absolut fremd und äußerlich. Während sie sich das Futter einverleiben, sind sie unters Kapital subsumiert und von ihm einverleibt. Das Bild, Triumph kapitalistischer Werbetechnik, zeigt sinnbildlich einen grundlegenden Aspekt des Kapitalismus.“ (aus: Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik, 1971)